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Gerhard Schaden: Deutsche Indefinitartikel in Synchronie und Diachronie

In vielen süddeutschen Dialekten kann der Indefinitartikel relativ frei mit Massennomina verwendet werden, ohne dass es dabei zu einer Typumwandlung in ein Zählnomen kommen würde.

(1) Wer A GÖD hot kaun se Pupperln hoitn, und wer kans hot, bleibt bei seiner Oidn. (angeb. Ferdinand Raimund)

"Wer ein Geld hat, kann sich Freundinnen halten, und wer keins hat, bleibt bei seiner Alten."

Entgegen von Prädiktionen sowohl formeller als auch funktioneller Tradition (cf. Chierchia 1998; Heine 1997) sind diese Indefinitartikel aber mit Nomen im Plural nicht kombinierbar.

Ich werde zeigen, dass die Indefinitartikel dieser süddeutschen Dialekte keine grammatikalisierte Version des standarddeutschen Indefinitartikels sind, sondern im Gegenteil, dass die annehmbaren Kontexte im Süddeutschen nur weniger zurückgegangen sind. Im Mittelhochdeutschen und auch noch bei Luther waren Indefinitartikel (oder was später zu einem Indefinitartikel wurde) erheblich weiter verbreitet als im heutigen Süddeutschen, wo sie völlig aus Vokativen und nicht-referenziellen Verwendungen verschwunden sind, und wo auch der Indefinitartikel nicht mehr vor dem Definitartikel erscheinen kann:

(2) scham ist EIN DIU hœhste tugent (Manessische Handschrift, 2, 175)

"Ehrsinn ist eine die höchste Tugend"

Um zu zeigen, dass die in der Grammatikalisierungslitteratur übliche Sicht des "semantischen Bleichens" für Indefinitartikel generell fraglich ist, werde ich die diachronische Entwicklung im Deutschen mit der des Französischen "UN" vergleichen, die ähnlich ungeradlinig verlief.