b. In der Heian-Zeit (794-1192) verlegte Kaiser Kammu den Regierungssitz von Nara nach Heian (=Kioto), nicht zuletzt, um dem Einfluß der buddhistischen Regierungsberater zu entgehen und einen streng lizensierten japanischen Nationalbuddhismus zu begründen. Dazu förderte er zwei buddhistische Gelehrte, die dann eigene Schulen bildeten:
7. Tendai
(chin.: Tian Tai, nach dem
chinesischen buddhistischen Kloster auf dem Tian Tai-Gebirge benannt), begründet von Saicho (Dengyo Daishi, 767-822), der auf dem Tian Tai in China
studiert hatte und selbst ein berühmt gewordenes Kloster auf dem Berg Hieizan
einrichtete. In seinem Kommentar zum Hokke-kyo (Saddharmapundarika Sutra) vertrat er die
Lehre von der "plötzlichen Erleuchtung" (Ichi-nen, chin. Yi Nian
, etwa: "ein Gedanke"), in
welcher die gesamte Wirklichkeit der "dreitausend Welten" (Sansen Sekai) als
nichtig durchschaut werden soll. Vgl. dazu Paul Groner, Saicho (767-822). The
establishment of the Japanese Tendai school, Berkeley, Cal., 1984; J.-N. Robert, Les
doctrines de l' école japonaise Tendai au debut du 9e siècle, Gishin et le Hokkeshu
gishu, Paris 1990; Bruno Petzold, Die Quintessenz der T'ien-t'ai (Tendai)Lehre. Eine
komparative Untersuchung (hg. v. E. Ham-mitzsch), Wiesbaden 1982; M. Sasso, Tantric art
and meditation. The Tendai tradition, Hono-lulu 1990.
8. Shingon
(chin.: Xin Yan,
etwa: "vertrauenswürdiges Wort"), begründet von Kukai
(Kobo Daishi 774-835), der in Nara und in China studiert hatte und sein Kloster auf
dem Takaozan errichtete. Kukai wurde in Japan lange Zeit so verehrt wie Buddha in Indien.
Er verband magische Elemente des "Diamant-Fahrzeuges" mit dem Shinto (Amaterasu,
die japanische Sonnengöttin und Ahnherrin des Kaiserhauses erklärte er für eine
Buddha-Inkarnation!) und bemühte sich in seinem Werk Sangoshiki (Untersuchung über die
drei Lehren, scl. des Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus) um das Gemeinsame
derselben, das er in dem Buch Nikyoron (Abhandlung über die esoterische und exoterische
Lehre) herausarbeitete. Seine Hauptlehre erläutert den achtfachen Pfad der Erlösung -
wie Bonaventura im Abendland mit seinem "Itinerarium mentis in Deum" - als
"zehn Stufen der Gesinnungsausbildung" vom "Schafsbewußtsein" mit
seinen tierischen Begierden über "das Bewußtsein, das den Nichtunterschied von
Realität und Illusion erkannt hat", bis zum "Bewußtsein, das selbst Buddha
ist" (vgl. sein Jujushinron, Traktat von den zehn Stufen der Gesinnung, in: O. Benl
und O.Hammitsch, Japanische Geisteswelt, Baden-Baden 1956, S. 70-77; M. Eiho Kawahara und
C. Yuho Jobst, Kukai, Kobo Daishi (774-835). Ausgewählte Schriften, übers. und
kommentiert, München 1992. Dazu: Mikkyo, Kobo Daishi Kukai and Shingon Buddhism, Koyasan
1990). Dazu: Yamasaki Taiko, Shingon. Der esoterische Buddhismus in Japan, Zürich 1990.